07.11.2015 – Kein Internet, aber viel Wasser - das erlebte Jonathan Carlstedt auf dem Kreuzfahrtschiff "Escape" mit Kurs auf Miami. Der Internetverzicht war freiwillig, ein Stück Askese in einem "Paralleluniversum", wo mit Glücksspiel, Essen, Trinken, Musik oder Sport an Unterhaltung kein Mangel herrschte. Nicht zu vergessen das Schach, das mit Begeisterung gespielt wurde. Mehr..
Schach auf hoher See, Teil 2
Von Jonathan Carlstedt, Live vom Atlantik
7 Tage ohne Internet oder Die Zeit vergeht... wie auf einem Schiff! Während der Aufenthalt in einem Flugzeug, wie das Sprichwort ja eigentlich weitergeht, doch zuweilen unbequem, mit schlechtem Schlaf und schlechtem Essen einhergeht, ist das Leben und die Zeit auf einem Kreuzfahrtschiff wie der „Escape“ mit so vielen Annehmlichkeiten verbunden, dass wir kaum gemerkt haben, dass das Bergfest bereits hinter uns liegt. Mit einem Teilnehmer unterhielt ich mich gestern darüber, dass wir sicherlich, nachdem wir das Schiff verlassen werden, 1-2 Tage resozialisiert werden müssen. In einem „Paralleluniversum“, wo man seine Zeit wahlweise mit Schach, Glücksspiel, Essen, Trinken, Musik, Sport oder Spa verbringt, muss man sich innerlich auf die Einfahrt in den Hafen von Miami am Sonntag, den 08.11.2015, und damit in die Realität, einstellen.
Impressionen vom Schiff
Zahlreiche Unterhaltungsmöglichkeiten auf mehreren Decks
Während viele der Teilnehmer sich eines der Pakete zur Benutzung des Internets gebucht haben, bin ich bisher eisern geblieben. Das Internet ist teuer und sehr langsam. Da ich schon bei durchschnittlichem Hotelinternet die Krise bekomme, schone ich so auch meine Nerven. Trotzdem ist es einerseits interessant zu beobachten, dass es sich komisch anfühlt, nicht mit Freunden und der sonstigen Welt in ständigem Kontakt zu sein (und natürlich regelmäßig ChessBase-Berichte lesen zu können) und andererseits graust es mir vor meinem E-Mail-Postfach am Tag der Verbindung zum Internet. In einigen Jahren, wenn es auch an Bord Highspeed-Internet geben wird, werden wir wohl eine Schachreise zum Mond machen, um der ständigen Erreichbarkeit zu entfliehen. Was gibt es also Neues zu berichten?
Dass sich die Fluktuation der Personen auf einem Schiff während einer Atlantik-Überquerung eher in Grenzen hält, ist eigentlich keine Überraschung. Die Gruppe der Schachspieler, die sich der Schachreise von Jörg Hickl angeschlossen hat, hat einen „harten Kern“ von Leuten, die sich kennen und bereits Schachreisen-Profis sind. Dies hilft sehr gut dabei, alle anderen, die Interesse haben, auch außerhalb des Turniers etwas gemeinschaftlich zu unternehmen, zu integrieren. Als Team hoffen wir zumindest, dass das bisher gut gelungen ist. Großen Anklang fand an einem Abend die Show „Tenors of Rock“. Tenöre, die Rockklassiker interpretierten. Großartige Stimmen, eine sehr kurzweilige Show vor ca. 1000 Leuten. Viele Schachspieler nahmen dieses Konzertangebot an und zogen später weiter Richtung 80er Party, wo man die Rock-Tenöre wiedertraf. Ein Beweisfoto gefällig:
„Tenors of Rock“ mit Andreas Tiede und Franziska Beltz
Auch das Sportangebot wird als Gemeinschaftsaktion von einigen wahrgenommen. Die beliebteste Sportart unter den Teilnehmern ist, neben den zahlreichen Fitnessangeboten und der Möglichkeit, Schwimmen zu gehen oder sich auf die Laufbahn zu begeben, Basketball. Wer denkt, dass Schachspieler ausschließlich Stubenhocker sind, sieht sich mit vielen sportlichen Teilnehmern der Reise getäuscht.
Ausgleichssport nach der Partie: Hier unsere Basketballer
Wie bereits im ersten Bericht erwähnt, gibt es nach der Runde immer die Partie des Tages, abgehalten im Board Room. Wo man sich gut vorstellen kann, dass hier auch mal ein Staatsoberhaupt irgendwelche wichtigen Befehle gibt. Die Technik ist vom Feinsten und dass der Raum während der „Partie des Tages“ immer kurz vor der Überfüllung steht, zeigt die Beliebtheit dieses Angebotes. Ergänzt durch „Englische Eröffnung“ und einige schöne Studien, bekommt auch jeder Schachjunkie seine ausreichende Dosis des königlichen Spiels. Am Abend der 5. Runde trafen sich acht der Teilnehmer noch zu einem kleinen Blitzturnier in einem der uns zur Verfügung stehenden Räume. Um 21 Uhr fiel der Startschuss und die Ziellinie überquerte nach ca. 90 Minuten Heinz Wirz mit 6,5 aus 7 souverän als Erster. Gefolgt von den Franks mit Namen Wagner und Wunderlich.
Blitzturnier mit Sieger Heinz Wirz
Im ersten Bericht habe ich dem schachlichen Teil nicht allzu viel Raum gegeben und auch hier werde ich den Verlauf nicht in epischer Breite darlegen. Weitere Informationen findet man auf der Turnierwebseite www.schachturnier-auf-see.de.
Trotzdem gibt es nach sechs Runden natürlich deutlich mehr zu berichten, als noch nach Runde 2. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein Fan von großem Pathos bin und da kommt mir der Turnierverlauf des Schachturniers auf See gerade recht. Denn bisher führt die Nummer 20, also der Letzte der Setzliste, die Tabelle an. Arndt Borkhardt musste ich vor dem Turnier noch eine Fide-ID besorgen. Doch ich wurde gewarnt.
Jörg sagte bereits vor Beginn der ersten Runde, dass Arndt wohl der Turnierfavorit sei und in der Tat, derzeit führt er die Tabelle mit 4,5 aus 6 punktgleich mit Johannes Magar an. Dahinter folgen Frank Wunderlich, Andreas Tiede, Heinz Wirz und Volker Schoder mit 4 Punkten. Spannung ist somit garantiert. Aber auch diejenigen, die bisher mit ihrer Punkteausbeute noch nicht allzu zufrieden sind, kämpfen in großartiger Weise. Nach der 6. Runde steht erstmal ein Ruhetag an, den alle Teilnehmer sich herbeiwünschen, denn das Leben der Sünde auf dem Schiff zehrt an den Kräften der Teilnehmer. Trotzdem muss natürlich nicht auf den Schachsport verzichtet werden. Statt 10 Uhr Runde heißt es morgen 10 Uhr Blitzturnier!
Impressionen aus dem Turniersaal
Analyse der Partien mit GM Jörg Hickl
Ein Geburtstagskind hatten wir auch, unser spanischer Torero Alfonso Javier Fernandez konnte 25 Stunden Geburtstag feiern.
Alfonso hatte nur einen bescheidenen Wunsch: Turniersieger. Alles Gute, Alfonso!
Text: Jonathan Carlstedt
Bilder: Franziska Beltz und Andreas Back