Seminarturnier 2012

„Schach wird im Zentrum gespielt“

Wie kann man sich als kampferprobter Schachpraktiker ernsthaft im Schach verbessern? Neben der theoretischen Beschäftigung mit den taktischen und strategischen Grundlagen des Schachs und ausreichender Spielpraxis wird von allen seriösen Schachlehrern und erfolgreichen Spielern die Analyse der eigenen Partien, vor allem mit stärkeren Spielern, dringend empfohlen.

Basierend auf diesen Überlegungen zur Spielstärkeverbesserung bot GM Jörg Hickl erstmals im Rahmen der Schachreisen ein einwöchiges Seminarturnier in Rotenburg an der Fulda an.

Rotenburg an der Fulda liegt rund 70 km vom geografischen Zentrum Deutschlands entfernt und war durch diese Lage für alle Lernwilligen von Flensburg bis zur Zugspitze gleichermaßen gut zu erreichen. Die gesamte Veranstaltung fand im gemütlichen Posthotel mit Halbpension statt. Sie ließ hinsichtlich der Zimmerausstattung, reichhaltigem Frühstück sowie abwechslungsreichem Abendbuffet keine Wünsche für das Wohlbefinden der Teilnehmer offen. Drei Räume boten auf fast 200m² hervorragende Spielbedingungen und jedem Referenten ein „eigenes Büro“. Neben achtzehn deutschen Schachspielern fanden sich noch zwei Teilnehmer aus den Niederlanden ein. Die schachspielerischen Leistungszahlen lagen in einer großen Streuung von rund 1500 – 2200 DWZ/ELO-Punkten. Das Turnier bestand aus fünf Runden nach dem Schweizer System. Eine DWZ/ELO Wertung wurde nicht vorgenommen, damit die Teilnehmer sich wirklich auf das Schachspielen konzentrieren konnten, ohne ständig an die Auswirkungen auf ihre Wertungszahl zu denken. Bis kurz vor Partiebeginn war auch der Gegner nicht bekannt – so wurde kein Teilnehmer unter Druck gesetzt, sich noch am Abend auf den nächsten Gegner vorzubereiten.

Bevor es mit dem Seminarturnier richtig losging, gab am Anreisetag die deutsche Schachlegende GM Robert Hübner ein Blindsimultan an sechs Brettern, das er souverän mit 5:1 gewann.

2400

Der Autor beim Blindsimultan

Am nächsten Morgen wurde es dann ernst. Nach einem ausgiebigen Frühstücksbuffet ging es gut gestärkt in den klar strukturierten Tagesablauf:

10 – 14 Uhr Teilnehmerpartien (30 Züge 90 Minuten, Rest 30 Minuten)

14 – 18 Uhr Einzel-Analyse sämtlicher Partien mit GM Robert Hübner, IM Frank Zeller oder GM Jörg Hickl

18 – 20 Uhr Abendbuffet

20 – 22 Uhr Lehrveranstaltungen in der Gruppe

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Analyse mit den Meistern: vlnr. Frank Zeller, Rolf Sander, Dieter Bauer, Robert Hübner

Mittwoch und Freitag waren spielfrei, am Freitag fanden noch zwei Lehrveranstaltungen mit den Themengebieten: Läuferendspiele/Igel-Systeme sowie eine offene Fragestunde an die deutsche Schachlegende GM Robert Hübner statt. An einem Abend referierte der Mediziner Guntram Hilbenz über Schach und Doping/Ernährung. Der freie Tag lud zum kostenlosen Wellnessprogramm im nahegelegenen Schwesterhotel oder zu Wanderungen in die schöne Fuldalandschaft ein.

Fazit:

Besonders gut gefiel mir, dass alle Teilnehmer in dieser Woche sich sehr ernsthaft mit Schach beschäftigt haben. Nach jeder Partie analysierten die Teilnehmer ihr Spiel gemeinsam sehr gewissenhaft, bevor die Partie dann einem der drei Schachmeister zum Zwecke der Analyse vorgetragen wurde. Da wir im Laufe der Woche die Partien mit den beiden GM und dem IM analysierten, konnte ich ausgezeichnet die unterschiedlichen Herangehensweisen und das Spielverständnis der Schachmeister vergleichen. Ein Zeichen für die gnadenlose Objektivität/Transparenz der Großmeister waren die anregenden Diskussionen von GM Robert Hübner und GM Jörg Hickl während der Abendveranstaltungen über unterschiedliche Stellungseinschätzungen.

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Robert Hübner stellt seine Partie gegen Garri Kasparow vor

Eine lehrreiche Sternstunde des Schachs war für mich, als Herr Hübner gebeten wurde, seine Gedanken zu einer komplizierten Mittelspielstellung darzulegen und wir als Publikum seine Herangehensweise an die Stellung und die anschließende Stellungsbewertung mit verfolgen konnten. Eine sehr gelungene ausgewogene Veranstaltung mit viel Schachpraxis, individueller Partieanalyse gepaart mit Lehrveranstaltungen. Durch die zwei spielfreien Tage war die Veranstaltung nicht so anstrengend wie ein übliches Schachturnier, sondern hatte neben dem Zuwachs an Spielverständnis auch noch einen hohen Erholungswert.

Statt einer Bewertung der Veranstaltung mit Punkten, gibt es für mich nur eine eindeutige Beurteilung des Seminarturniers, die in folgender Fragestellung mündet: „Nimmst Du am Seminarturnier im kommenden Jahr wieder teil?“ Ich habe mich sehr gefreut, als ich hörte, dass diese Veranstaltung im kommenden Jahr wieder angeboten wird. Ich habe mich bereits angemeldet!

Dirk Moysich, DWZ 1907

Zuerst erschienen am 14.12.2012 auf der Website des Deutschen Schachbundes: