Die Schachkreuzfahrt – ein Erlebnisbericht
Von Olaf Hilsansky
Schachkreuzfahrt? Mal was Neues – warum nicht, dachte ich vor gut einem Jahr, als die Ausschreibung per Mail ins Haus flatterte. Bisher nahm ich an drei Schachreisen mit Großmeister Jörg Hickl teil und fand die winterlichen Reisen im Januar nach Lanzarote sehr erholend. Es waren immer Gleichgesinnte für Schach das bestimmende Thema dabei und ich fand immer Anschluss. Urlaub und Schach zu kombinieren war sehr unterhaltsam. Dieses Mal stand jedoch der Urlaub im Vordergrund – viel erleben, aber nicht auf Schach verzichten. Also auf zur Kreuzfahrt durch das Mittelmeer.
Unser Schiff trug den bedeutsamen Namen Norwegian Epic. Der neue Luxusliner der amerikanischen Reederei Norwegian Cruise Line (NCL) gehört zu den größten Kreuzfahrtschiffen der Welt. Sie ist 330 Meter lang, 40 Meter breit und hat einen Tiefgang von fast 9 Metern. Auf 19 Decks können 4.228 Passagiere und 1.730 Besatzungsmitglieder untergebracht werden. Das Schiff verfügt über einen dieselelektrischen Antrieb und erreicht eine Geschwindigkeit von 22 Knoten, das entspricht 42 km/h. Technik, die einen begeistern kann.
Mitte Mai 2012 startete die 8-tägige Kreuzfahrt in Europas größtem Kreuzfahrthafen Barcelona. Hin- und Rückflüge, alle notwendigen Reiseunterlagen sowie Hotelunterbringungen und sonstige Transfers wurden im Vorfeld umgesetzt.
Die Reise konnte beginnen.
Ich reiste zwei Tage früher an, um die große spanische Metropole, zusammen mit einem Großteil der Gruppe, genießen zu können….und war total begeistert – hier war ich nicht zum letzten Mal.
Die 1,5 Millionenstadt bietet Sehenswürdigkeiten ohne Ende und ist touristisch sehr gut erschlossen. 3-4 Tage können problemlos eingeplant werden. Die Basilika „Sagrada Familia“, Kolumbussäule, Arena und der Fernsehturm sind nur einige Highlights, die wir auf unserer Fahrt im offenen Doppeldeckerbus durch die Stadt erlebt haben. Nach einer weiteren Übernachtung ging es dann an Bord der Nowegian Epic.
Der Check-In des Kreuzfahrtschiffes gestaltete sich überraschend einfach und
schneller als erwartet. Die anschließende Kabinensuche dafür anfangs schwieriger. Je nach Lage mussten zwischen 100 bis 200 Meter gelaufen werden und es dauerte ein wenig, sich auf einem solchen Koloss zurechtzufinden. Die Beschilderung und ein erstes Kennenlernen durch einen zugewiesenen Steward vereinfachten das Ganze erheblich. Nach einem geführten Rundgang durch den deutschsprachigen Ansprechpartner der Cruise Line wurde das Schiff mit all seinen Decks schon übersichtlicher. Ehrlich gesagt ist die Schachreisegruppe anfangs aus dem Staunen nicht mehr heraus gekommen. So einen Luxusliner sieht man nicht alle Tage!
Die Reiseroute führte von Barcelona über Neapel (Pompeji) entlang der italienischen, französischen und spanischen Küste: Civitaveccia (Rom), Livorno (Pisa), Cannes, Marseille und wieder nach Barcelona. Die Haltepunkte luden zum Sightseeing ein. Morgens ging es nach einem reichhaltigen Frühstück zwischen 07:00 und 09:00 Uhr vom Schiff. Entweder in der Gruppe mit den an Bord gebuchten Reisen der Cruise Line oder - wie einige Mitglieder unserer Reisegruppe - etwas preisgünstiger in Eigenregie mittels Taxi und Bahn. Die gebuchten Führungen waren klasse und informierten uns über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten. So erfuhren wir in Pompeji, dass es damals schon eine Art McDonalds gab, um die vielen Einwohner der Stadt ernähren zu können. Die Führungen bestanden meistens aus kleineren Gruppen mit ca. 20 Personen und fanden teilweise auch in deutscher Sprache statt. Freie Zeit für ein Mittagessen wurde immer eingeplant, was sehr angenehm war. Ein weiteres Highlight war der Stopp der EPIC in der Bucht von Cannes. Um an Land zu kommen, wurden wir mit sogenannten Tenderschiffen, die knapp 300 Personen fassen konnten ausgebootet. Glücklicherweise fiel unser Ausflugstag in den Zeitraum der Filmfestspiele. Neben vielen privaten Jachten im Hafen, schönen Frauen und haufenweise Fotografen war es hochinteressant den Trubel rund um das Festival zu erleben.
Cannes gefiel mir sehr gut
Spätestens um 18:00 Uhr mussten wir aber wieder an Board sein. Das Schiff wartet nicht auf Nachzügler. Wir hatten jedoch keine Verluste zu vermelden.
Doch auch das Schach kam nicht zu kurz
Neben vielen Ausflugstagen gab es einen kompletten Seetag. Dieser stand ganz im Zeichen des Schachs. Die mitgereisten Begleitpersonen ließen ihre Männer Männer sein und machten es sich auf dem Sonnendeck oder im Wellnessbereich gemütlich. Für uns Schachbegeisterte begann der interessanteste Teil der Reise: die 15-köpfige Schachgruppe hatte morgens, mittags und abends Zeit genug um Schach zu spielen und zu lernen. Es wurde in einem Konferenzraum mit Projektor/ Leinwandausrüstung und auf eigenen Turnierbrettern gespielt.
An den anderen Tagen wurde ebenfalls 2 bis 3 Stunden Schach zu verschiedenen Zeiten anberaumt. Die Spielstärke der Reisenden variierte von DWZ 1300 bis 2100. Doch interessanterweise harmonierte die ganze Geschichte. Selbstverständlich war an den Tagen der Städtetouren tagsüber kein Training. Es lag bei einem selbst, ob man an jedem Training teilnahm oder weitere Ausflüge machen wollte. Zwischendurch traf ich mich zu privaten Partien mit Gleichgesinnten auf dem Sonnendeck oder im Aufenthaltsbereich der Studiokabinen.
Der Autor (r.) bei der sorgfältigen Nachbereitung
Insgesamt stand uns der Großmeister für mehr als 20 Stunden Schachtraining zur Verfügung. Nicht gerade wenig für den kurzen Zeitraum. Das reichte, um einige Aspekte des Schachs anzusprechen wie z.B. guter/ schlechter Läufer, Läufer oder Springer im Endspiel und natürlich Turmendspiele sowie lehrreiche Studien oder auch Schachprobleme.
Besonders gefiel mir die folgende Aufgabe:
Weiß am Zug, Matt in 3 (Lösung am Ende des Berichts)
Zweimal wurde abends nach dem vorzüglichen Essen ein Schnellturnier gespielt, bei dem die einzelnen Schachspieler ihr Wissen und die Spielstärke testen konnten.
Es gab aber auch eine Veranstaltung, die für einige unser Teilnehmer leider nicht so angenehm ausfiel: An unserem letzten Abend an Bord wurde das Endspiel der UEFA Champions League auf der großen Leinwand (die größte auf See, gefühlte 10x15 m) übertragen. Hier saßen einträchtig fußballbegeisterte Schachspieler mit Chelsea-Fans zusammen, litten aber ungleich schwerer.
Bayern-Chelsea live auf der größten Leinwand auf See
Jeder Urlaub geht einmal vorbei. Schade, schade. Die ganze Schachreisegruppe war begeistert. Die Verbindung von Schach mit Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff war schon etwas Besonderes. Die Crew war absolut freundlich, das Essen unglaublich gut, die Veranstaltungen (wie die Blue Man Group) professionell, die Ausflüge hervorragend organisiert.
Meine Erwartungen wurden weit übertroffen. Die anfängliche Skepsis hat sich schlagartig gelegt, denn ich hatte absoluten Bammel auf See aufgrund meiner Seekrankheit. Doch von der Schaukelei auf See und dem Ein- und Ausschiffen im Hafen bekommt man überhaupt nichts mit. Ich habe nachts geschlafen wie auf Wolke 7 äh Schiff 7.
Meine Spielstärke liegt zurzeit bei DWZ 1414 mit steigender Tendenz, denn ich nahm bisher in meinen 2 kurzen Schachjahren an 3 Schachreisen von und mit Großmeister Jörg Hickl teil. Zu Beginn meiner Schachlaufbahn wusste ich nicht viel. Hatte keine Ahnung von Opposition, Springerstützpunkte, schlechter/ guter Läufer, Bauernendspiele und was Jörg noch so alles ansprach. Der rote Leitfaden wurde gelegt. Nach jeder Reise hat sich meine Spielstärke um ca. 100 DWZ-Punkte nach oben katapultiert. Das habe ich nicht alleine Jörg Hickl zu verdanken, sondern auch und vor allem der Nacharbeit der Seminarinhalte - was Jörg auch immer wieder betonte. Ich werde in der nächsten Spielsaison an Brett 1 in meiner Mannschaft der Kreisliga B spielen und mein erlerntes und neues Schachwissen einsetzen.
So viel steht fest: Wenn man sich mit dem Kreuzfahrervirus infiziert hat - Schach und Urlaub verbinden will - ist diese Art von Reise genau richtig. Hoffentlich klappt es nächstes Jahr, denn obwohl unser Großmeister nie wieder eine solch aufwändige Reise machen wollte, riss ihn die Begeisterung der Gruppe mit. Vier Wochen später überraschte er uns mit den Details für die Kreuzfahrt 2013. Die 14tägige Reise von Barcelona nach Miami bietet dann auch genug Zeit für ein richtiges Schachturnier. Ich bin hoffentlich wieder dabei und kann dann nochmals Barcelona erkunden.
Auflösung der Aufgabe: Nach Unterstützung durch den Trainer wurde es deutlich leichter. Wichtig ist es, sich vorzustellen, Schwarz sei am Zug und man muss nur noch das Matt nach 1. – Kb8 finden. Prophylatkisches Denken nannte er das. Weiß spielt 1.Tc2 Kb8 2. Kxb6 Ka8 3. Tc8 matt.
(Zuerst erschienen in Europa Rochade 09/2012)